Sonntag, 10. November 2019

Tag 10 - FRAG doch einfach mal



Nein, mein Diabetes kann nicht mit Zimt geheilt werden. Und auch nicht mit Salatgurken. Ja, ich muss wirklich, wirklich, wirklich jeden Tag Insulin spritzen. Jeden. Tag. Mehrmals. Doch, ich glaube schon, dass du das auch könntest, wenn dein Leben davon abhängen würde. Ja, ich darf Kuchen essen. Nein, ich bin nicht "viel zu jung" um Diabetes zu haben. Nein, die Süßigkeiten, die ich in meiner Kindheit gegessen oder nicht gegessen habe, haben absolut nichts mit meinem Diabetes zu tun. Nein, auch Gewicht verlieren heilt meinen Diabetes nicht. Und nein, sämtliche verschiedene Ernährungsformen heilen meinen Diabetes auch nicht.

Wenn ich 1 Euro für jeden ungebetenen Kommentar oder vermeintlichen "Ratschlag" bekommen würde, der mir in meinem Leben mit Diabetes über den Weg lief und läuft, könnte ich mir bereits nach fast sieben Jahren sehr, sehr, sehr viel damit kaufen. Oder sehr, sehr viel Geld spenden. Sehr viel. 

Gib dir doch mal Mühe!

Ungebetene Ratschläge und Kommentare setzen Krankheiten und Be_hinderungen herab, so als wäre das alles schlicht unsere ganz eigene Wahl gewesen und als könnte man schon wieder gesund werden, wenn man sich nur mal genug Mühe gibt. Sie sagen: Du hast einfach wirklich nicht genug recherchiert, sonst wärst du schon wieder "gesund". 

Jetzt kommt's aber: Wir haben echt keine Wahl. Echt. Überraschend, ich weiß. Ungebetene Ratschläge greifen uns an. Ungebetene Ratschläge bevormunden uns. Sie feuern höchstens kurz das Ego der Person an, von der sie kommen. Und ganz oft sind sie kombiniert mit internalisiertem Ableismus (Link zu Wikipedia). Diesen haben wir alle irgendwo inne und es gilt, das herauszufordern und den internalisierten Ableismus abzulegen.

Fragt doch mal nach!

Ich kann das bis zu einem gewissen Grad wirklich nachvollziehen. Auch ich bin in einer ableistischen Gesellschaft groß geworden. Es ist nicht leicht, von klein auf Angelerntes zu reflektieren, es los zu lassen und zu lernen, wie man diese Themen nicht diskriminierend angehen kann. Ich empfehle für den Anfang zum Beispiel die Kanäle von Ninia La Grande oder Raul Krauthausen, und wer sich kurz durch ihre Followings klickt, findet noch eine ganze Reihe weiterer Menschen, von denen auch ich viel lernen und durch die ich meinen angelernten internalisierten Ableismus (sogar gegen mich selbst) reflektieren und schrittweise ablegen konnte. Eins möchte ich dabei aber klar stellen: Ich bin noch nicht frei davon.

Der Anfang aber kann einfach sein: Wer wirklich helfen möchte, fragt vielleicht tatsächlich mal direkt bei uns nach, ob und wie wir uns Unterstützung wünschen, ohne dabei von einer Person auf die nächste zu schließen! Niemals vergessen: Wir sind alle unterschiedlich und haben unterschiedliche Bedürfnisse! Wer wirklich, wirklich helfen möchte, überlässt es uns, inwieweit wir euch im Bezug zu unseren Erkrankungen und Be_hinderungen in unser Leben lassen möchten. Wer den Mund für ungebetene Ratschläge öffnen kann, sollte auch nachfragen können. Es ist absolut nicht hilfreich und schlichtweg dreist, davon auszugehen zu wissen wie eine andere Person unterstützt werden möchte oder was sie, ganz individuell, benötigt.

Extra-Fleißbienchenpunkte gibt es, wenn ihr diese Alternativen zu euren "gut gemeinten" Kommentaren und Ratschlägen (die ich 2016 schon aufgeschrieben habe) heute noch versucht auswendig zu lernen! Sprache ist wichtig!

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