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Dienstag, 22. August 2017

Tief, tiefer, am tiefsten

Im Moment bin ich manchmal tatsächlich täglich überrascht, wie gut ich das aktuell wieder mit meinen Werten hinkriege. Selbst Pizza ist gerade kein Problem für mich und meinen Blutzucker. Vor einigen Wochen schrieb ich noch, wie jeder Zyklus irgendwie anders meine Werte durcheinander bringt. Aber siehe da: Seit der letzten Periode läuft es irgendwie auf magische Weise. Oder liegt's auch an meinem Zutun? Vermutlich ist es eine Mischung aus Beidem.

Überrascht bin ich, weil ich wegen Zyklus und anderen spaßigen Dingen in den letzten Monaten schon irgendwie fast aufgegeben hatte, was das Herumprobieren und Verändern meiner Therapie angeht. Das ist manchen von euch jetzt vielleicht wieder ein Bisschen zu ehrlich, aber ich hatte einfach wirklich anderes im Kopf. Und ja, das ist nicht gerade vorbildlich für jemanden mit einer chronischen Krankheit. Aber wir alle kennen vermutlich solche Phasen, in denen es einfach Wichtigeres gibt und der Diabetes total in den Hintergrund rückt. Umso glücklicher bin ich gerade darüber, dass jene Phase nun endlich, zumindest vorerst, vorbei zu sein scheint. Ich betrachte meine Werte und kann es teilweise kaum fassen. Ich mache Dinge wieder richtig! Ich kann doch noch Kohlenhydrate schätzen! Es geht mir gut! Endlich mal wieder normale Werte und keine Berg- und Talfahrt auf dem Bildschirm. Zwar ist mein HbA1c gleich geblieben. Dennoch: das war eines unserer Therapieziele, den HbA1c halten und diesen nur ganz langsam senken. Das ist wie mit allen anderen Dingen im Leben: schnell schnell ist nie die gesündere Möglichkeit, egal um was es geht. Alles langsam verändern. 

Die für mich verrückteste Veränderung momentan ist, dass mein Körper wahnsinnig empfindlich auf das gespritzte Insulin reagiert, sobald ich generell bessere Werte halten kann. Das ist vermutlich bei vielen von uns so, überrascht mich aber jedes Mal wieder. Vor allem nach so einer Phase, wie ich sie jetzt hatte: mit vielen auch teilweise wirklich wahllos gespritzten und auch größeren Wutboli, die den Blutzuckerwert einfach nicht in den Zielbereich bringen wollten und vielen verzweifelten Stunden an der Wasserflasche und auf der Toilette, weil das Insulin einfach nur wirkte wie Wasser. Aber jetzt, jetzt wirkt es wieder. Und zwar gewaltig.

Letzte Nacht wachte ich gegen 2 auf und ich konnte bis 4 nicht mehr schlafen. Das lag zunächst einmal an einer heftigen Unterzuckerung, von deren Symptomen ich glücklicherweise aufgewacht bin. Zittern, schwitzen, ihr kennt das sicher. Ich checkte meinen Blutzuckerwert: LO. Ok. Das passte so ungefähr exakt zu meinem Körpergefühl. Zügig versuchte ich die Unterzuckerung mit flüssigem Zucker zu behandeln. Die Zähne waren natürlich schon geputzt, toll. Ich war genervt und müde. Und mit wenig Zucker war es auch nicht getan. Ne Viertelstunde später war ich immer noch ähnlich tief. Mehr Zucker. Viertelstunde später immer noch ähnlich tief. Noch mehr Zucker. Ich hatte echt die Schnauze voll und war müde. Die letzte Insulinabgabe fand vor 20Uhr abends statt. Das machte alles überhaupt keinen Sinn. Oder doch? 

Gegen 3Uhr ging es langsam Richtung Normalwert. Endlich. Schlafen ging trotzdem erst einmal nicht mehr. Jetzt hatte ich ja wieder super viel Treibstoff im Körper, ich stand quasi im Bett. Um 4Uhr dämmerte es draußen. Irgendwann habe ich es irgendwie wieder geschafft, einzuschlafen. Der Wecker klingelte um 8 das erste Mal, natürlich bin ich da nicht aufgestanden. Das ist ein Luxus, den ich mir im Moment glücklicherweise leisten kann. Geholfen hat es heute aber nicht wirklich. Der Tag war trotzdem durch für mich. Und ich musste mich eher versuchen oben zu halten.

Jetzt muss ich die nächsten Tage abwarten, geizig sein mit dem Insulin, vor allem abends, und dann schauen, ob sich dieses Spektakel wiederholen wird. Und vergleichen, Notizen machen, Schlüsse daraus ziehen. Also alles wieder von vorn. Bis es vielleicht wieder nicht mehr ausreicht. Im Moment ist es ein Spiel, welches ich nicht mehr so gerne spielen möchte. Wir können gerne hier an diesem Punkt bleiben, das Insulin normal wirken und meine Werte gut lassen, echt. Ich hätte damit kein Problem. Ich kann den nächsten Zyklus, in dem es wieder anders sein wird, aber schon beinahe riechen. Ein ewiges Hin und Her. Fast ein Bisschen wie damals mit der bescheuerten Remissionsphase. Wie lange noch? Und wie bei meinem letzten Eintrag wieder die Frage: Wie viel können wir leisten? 

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